Wenn von Schocks getroffen, vertraut der Euroraum bei der Stabilisierung seiner Wirtschaft zu sehr auf die Geldpolitik. Die jüngste Krise testete die Grenzen dieser einseitigen Abhängigkeit. Die Europäische Zentralbank senkte die Zinsen unter Null und kaufte große Mengen Anleihen – der Wachstumsaufschwung ließ trotzdem lange auf sich warten und die Inflation ist immer noch niedrig. Daraus lässt sich schließen, dass die Fiskalpolitik in Zukunft eine größere Rolle bei der Abfederung wirtschaftlicher Schocks spielen muss.
Eine gemeinsame Fiskalkapazität auf der Ebene des Euroraums würde es einfacher machen, der Geldpolitik die Fiskalpolitik zur Seite zu stellen, um die Volkswirtschaften der Länder in einem Abschwung stabilisieren zu können. Sie könnte auch eine Wiederholung der jüngsten akuten Krise vermeiden, als Länder aufgrund ihres geringen fiskalischen Spielraums Steuern erhöhten und Ausgaben kürzten und damit den Abschwung verschärften.
Damit diese Fiskalkapazität aber auch tragfähig und akzeptabel ist, sollte sie mit strengen Konditionen verbunden sein, die zwei legitime Bedenken aufgreifen: Erstens muss das Risiko überwunden werden, dass Regierungen weniger Anreize für eine umsichtige Fiskalpolitik sehen, weil ihnen Unterstützung für schlechte Zeiten versprochen wurde. Zweitens gilt es, eine Konzentration von Risiken in bestimmten Ländern zu vermeiden, was zu permanenten Transfers von einer Ländergruppe an eine andere führen würde.
Wir haben vor kurzem einen Vorschlag für eine solche Fiskalkapazität veröffentlicht, der die Notwendigkeit für eine stärkere Stabilisierung mit überzeugenden Maßnahmen verbindet, um diese Bedenken auszuräumen.
In unserem Vorschlag sparen Länder in guten Zeiten und leisten Beiträge an einen „Schlechtwetterfonds“ – sie bilden damit Puffer während eines Aufschwungs. Bei einem Abschwung sind die Fiskalpolitiken der Länder die erste und wichtigste Verteidigungslinie. Überweisungen aus dem Fonds dienen als Unterstützung, um die Auswirkungen eines Abschwungs abzufedern.
Der Fonds ist so angelegt, dass er fast immer zur Finanzierung der notwendigen Überweisungen ausreicht. Im Fall eines extremen Schocks dürfte der Fonds auch Kredite aufnehmen. Diese Kredite würden dann mit den künftigen Beiträgen der Länder zurückgezahlt.
Wie die Geschäftsführende Direktorin des IWF bei ihrer jüngsten Rede in Berlin sagte, wäre der Fonds „ein vorübergehendes Polster, aber kein Ruhekissen“. Unser Vorschlag verlangt von den Mitgliedern, dass sie mehr Eigenverantwortung übernehmen, um für Ordnung in ihrem Hause zu sorgen.
Ein wichtiger Aspekt ist, dass Länder nur dann Nettotransfers bekommen, wenn sie die Haushaltsregeln der EU einhalten. Dies ist eine wichtige Sicherheitsmaßnahme für den Fonds und ein Anreiz für umsichtige Fiskalpolitik in den Ländern.
Darüber hinaus würden mehrere Mechanismen permanente Transfers zwischen den Ländern verhindern. Erstens wäre die Fiskalkapazität mit einem „Nutzungsaufschlag“ versehen; das heißt, ein Land zahlt in guten Zeiten einen Aufschlag auf der Grundlage der Zahlungen, die es in schlechten Zeiten bekommen hat. Zweitens wären die von den Ländern geforderten Beiträge gedeckelt, damit bestimmte Länder nicht zu großen Nettozahlern werden. Drittens wären die Summen, die ein Land aus dem Fonds bekommen kann, begrenzt, damit Transfers nicht als Ersatz für notwendige wirtschaftspolitische Korrekturen dienen.
Nach unseren Berechnungen wären die makroökonomischen Vorteile eines derartigen Fonds beträchtlich. Würden Länder Jahresbeiträge in Höhe von 0,35 Prozent ihres BIP leisten, könnten während einer typischen Expansion Mittel im Wert von rund 2 Prozent des BIP im Euroraum angesammelt werden. Im Fall eines großen euroraumweiten Schocks, bei dem die Geldpolitik beengten Spielraum hat, könnte der Fonds ausreichend Transfers finanzieren, um die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung um mehr als 50 Prozent zu senken.
Wir kommen auch zu dem Schluss, dass wohl alle Länder von dem Fonds profitieren würden. Hätte es ihn seit Beginn des Euro gegeben, dann hätte Deutschland von 2003 bis 2006 während des Abschwungs Bruttotransfers in Höhe von rund 2,5 Prozent seines BIP bekommen. Damit hätte Deutschland vor der weltweiten Finanzkrise eine ausgeglichene Position im Fonds gehabt, während Spanien und Italien Nettozahler gewesen wären.
Wir sind uns bewusst, dass viele Länder Zweifel gegenüber zentralen Fiskalinitiativen dieser Art hegen und dass eine Vereinbarung politisch schwierig zu erreichen sein wird. Wir hoffen jedoch, dass unser Vorschlag, der Risikosenkung und Risikoteilung in ein ausgewogenes Verhältnis bringt, einen hilfreichen Betrag zur Debatte leisten kann. Letzten Endes braucht es ein neues Instrument zur Makrostabilisierung mit einer besseren Mischung aus Fiskal- und Geldpolitik, um die Widerstandskraft des Euroraums zu stärken und eine weitere Krise zu verhindern.